Bei der Vorbereitung ergaben sich zwei Hauptfragen:

  • Reisen nach Mexiko während der Corona Pandemie und gerade während Omikron in Deutschland wütet?
    Da wird sicher jeder eine eigene Meinung zu haben. Ich habe mir folgendes vor Augen gehalten: zum einen bin ich geimpft (Juni 2021 mit dem Einmalimpfstoff von J&J, im Oktober 2021 geboostert mit Biontech und im Januar 2022 noch einmal geboostert mit Moderna). Also 3 verschiedene Impfstoffe und den letzten noch kurz vor der Abreise. Zum Anderen scheint die vorherrschende Omikron- Variante nicht so schlimme Symptome hervorzurufen und gerade wenn man geimpft ist relativ harmlos zu verlaufen. Zudem scheint die VDST Auslandsreisekrankenversicherung im Vergleich zu anderen Anbietern recht kulant zu sein und bezahlt eine Coronabehandlung im Ausland. Letztendlich war ich auch das „zu Hause hocken“ leid und wollte mal wieder rauskommen. Interessant zu bemerken ist, dass man zur Einreise nach Mexiko keinerlei Impfung benötigt, auch keinerlei Tests sind für die Einreise vorgeschrieben und auch keine Quarantänefristen. Einzig einen Fragebogen sollte man ausfüllen und selbst den haben die Mexikaner 3 Wochen vor meiner Einreise abgeschafft.
  • Bin ich überhaupt geeignet um in Höhlen zu tauchen?
    Ich bin nicht sonderlich ängstlich beim Tauchen und habe keine Platzangst. Dies sind glaube ich zunächst mal gute Voraussetzungen. Trotzdem habe ich gehörigen Respekt vor der Sache, da mir bewusst ist, dass es sich hier um einen durchaus gefährlichen Sport handelt. Auf der anderen Seite ist niemand in meiner Familie mehr abhängig von meinem Einkommen. So hoffte ich durch den Höhlentauchkurs etwas Besonderes zu erleben aber auch wieder etwas mehr Bodenhaftung zu bekommen und generell gefährliche Situationen beim Tauchen besser einschätzen zu können. Nicht zuletzt bleibt mir mit nunmehr 60 Jahren auch nicht mehr allzu viel Zeit derartige Unternehmungen anzugehen.

Als Höhlentauchgebiet war Mexiko eigentlich von Anfang an wegen des klaren und warmen Wassers, und der Vielzahl an betauchbaren Cenoten (Wasserlöcher die den Ausgangspunkt der Unterwasserhöhlengänge bilden) die einzige Option.
Erfahrungen: Während unserer Zeit in Australien war ich einmal solo in Picanninnie Ponds tauchen, blieb aber im Bereich der Kavernenzone wo man jederzeit Licht sah und ungehindert auftauchen konnte. Trotzdem hat mich dort im sogenannten „Chasm“ besonders die Klarheit des Wassers tief beeindruckt. In der Vergangenheit war ich auch bereits Eistauchen, wo man ein Loch in die Eisdecke eines zugefrorenen Sees schlägt und dann angeleint unter das Eis taucht. Und in den letzten Jahren hatte ich das Glück einige schöne Wracktauchgänge mit signifikanter Penetration zu erleben (Truk und die Zenobia in Zypern) die die Lust auf mehr geweckt haben.

Leider fehlte mir einiges an notwendiger Ausrüstung zum Höhlentauchen, besonders Unterwasser- Lampen. Mir wurde gesagt, dass ich eine Hauptlampe mit 1500 Lumen und einer Brenndauer von min. vier Stunden benötigen würde. Damit fiel die vorhandene Kowalski Handlampe flach. Nach etwas Recherche entschied ich mich für die schwedische Nanight C3. Leider war diese beim Tauchhändler meines Vertrauens nicht erhältlich, so dass ich im Internet bei 11bar zugeschlagen habe. Die Jungs waren sehr nett und nach nur einem Tag hielt ich die Lampe in Händen. Zusätzlich mussten noch zwei handliche Reservelampen her mit einem Minimum von 300 Lumen und 2 Stunden Leuchtdauer. Die Kowalski erfüllte zwar diese Voraussetzungen, ist aber zu groß und unhandlich. Also hat sich der Tauchladen für zwei Tillytec Mini Uno Backup entschieden (alternativ wären noch polnische Backuplampen in Frage gekommen. Die Atemregler mussten auch noch angepasst werden, ein 2,1m langer Mitteldruckschlauch und ein kurzer Inflator für die Sidemountausrüstung.

Die Reise nach Mexiko verlief pünktlich und ohne Besonderheiten, so dass ich viele Stunden später mein Apartment im Nachbarhaus des Tauchlehrers beziehen konnte. Am nächsten Morgen wurde dann die Sidemountausrüstung zusammengestellt und angepasst und bei einem ersten Tauchgang in der Cenote Jardin del Eden (Garten von Eden) getestet, sowie erste Übungen unternommen. Das Wasser war superklar, ganz so als existierte es nicht. Es dauerte eine Weile bis ich mit der neuen Sidemountausrüstung klar kam. Allerdings war das absolut bewegungslose Verweilen im Wasser nicht mein Ding. Rein automatisch bewegen sich meine Beine (Flossen) leicht um die Balance zu halten und einen Krampf zu vermeiden. Alleine der Tauchlehrer bestand darauf, dass es absolut ohne Bewegungen gehen muss, da in der Höhle bei geringem Platz selbst kleine unvorsichtige Flossenbewegungen eine erhebliche Menge Sediment aufwirbeln können und damit die Sicht  für alle auf Null reduzieren kann. Andere Übungen waren das Rückwärtsschwimmen und das Drehen auf der Stelle. Auch das bereitete mir zu Beginn einige Schwierigkeiten, wurde aber mit zunehmender Übung besser. Die sogenannten „Safety Drills“ waren das Zudrehen einer Flasche, Atemreglerwechsel und das gleiche zurück, sowie das Partneratmen am langen Schlauch mit anschließendem Verstauen des langen Schlauches in den Gummilaschen der Flasche. All das und mehr wurde etwa vier Stunden am Tag zunächst im Freiwasser, dann in der Kavernenzone (die Stelle wo noch Licht in die Höhle fällt) und letztlich in der Höhle selbst geübt. Zudem gab es jede Menge spezieller Unterwasserzeichen und das Umgehen mit der Leine, die in die Höhle hinein und hinausführt zu lernen. Dazu immer wieder Kommentare des Tauchlehrers: in dieser Situation hättest du mich/ dich getötet. Irgendwo habe ich gelesen, dass Tauchlehrer ihren Schülern das Tauchen so leicht wie möglich machen sollen – nicht so beim Höhlentauchen, da machen die Tauchlehrer ihren Schülern das Leben so schwer wie möglich mit allerlei „unvorhergesehenen“ Problemen, gerade im „Blindflug“ wo der Schüler nicht sieht was der Tauchlehrer um einen herum veranstaltet. Eine wichtige Übung ist das blinde Herausfinden aus der Höhle entlang der Führungsleine, weil das Licht ausgefallen ist oder aufgewirbeltes Sediment die Sicht nimmt. Plötzlich gibt es zudem alle möglichen Probleme, wie Leinenabzweigungen beim Heraustauchen aus der Höhle, die beim Hineintauchen nicht da waren und man muss entscheiden was ist der richtige Weg aus der Höhle hinaus ist oder der Tauchlehrer hält einen abblasenden Atemregler unter einem, sodass man herausfinden muss ob und wo man ein Gasleck hat und entsprechend reagieren (das alles wie gesagt blind). Das war sehr stressig und brachte mich an meine Grenzen. Nicht dass ich in Panik verfiel, sondern dass ich bei Problemen so fokussiert auf deren Lösung war und andere wichtige Aspekte aus dem Auge verlor, i.e. eine stabile Position zu behalten und die Leine nicht aus der Hand zu lassen.

Leider bereitete mir nach acht Tagen eine beidseitige Gehörgangsentzündung so heftige Schmerzen, dass ich für dieses Jahr zunächst mal aufgab. Interessant noch zu wissen: in der Apotheke vor Ort gab es ein 10 ml Flässchen eines Ohrenbakterizids für umgerechnet 1 Euro. In Deutschland musste ich für die „Ehmschen Taucherohrentropfen“ bestehend aus Wasser, Isopropanol und Eisessig (ohne Bakterizid) 20 Euro bezahlen. Leider halfen diese mitgebrachten Tropfen nicht mehr. Selbst mit den Tropfen aus der mexikanischen Apotheke vergingen vier Tage bis die Schmerzen nachließen.
Was habe ich gelernt:
– bei beginnenden Ohrenschmerzen schnellstmöglich ein Bakterizid in den äußeren Gehörgang tropfen
– ich muss an meiner Wasserlage arbeiten, i.e. ohne jegliche Bewegung in einer Bauchlage unter Wasser zu verweilen
– die Ausrüstung muss perfekt sein: mein Hauptatemregler hatte keinen sogenannten „Swivel“, i.e. ein Drehgelenk, dass die Position des Reglers optimiert. Wegen des Fehlens hatte ich immer einen unangenehmen Zug auf dem Regler im Mund. Der 7mm Halbtrockentauchanzug war viel zu warm, ich schwitzte/ dehydrierte unter Wasser und kam entsprechend klapprig aus dem Wasser. Ein 5mm Nasstauchanzug ist optimal in Mexiko.
– Der Ort wo der Tauchlehrer (und ich wohnte) war eine kleine Siedlung ohne jegliche Infrastruktur. Zum nächsten Dorf mit Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten musste ich 3 km auf einem Feldweg durch den Urwald laufen. Der Hinweg bei Tageslicht war interessant, der Rückweg bei Dunkelheit weniger. Das führte dazu, dass ich unregelmäßig und wenig gesund gegessen habe (ich dachte zudem, dass etwas Diät meiner Figur zu gute käme). Leider führte das aber dazu, dass ich mich unwohl und schwindelig fühlte und am Ende sogar wegen einer Unterzuckerung kurz weg döste. Bei physisch und psychisch anspruchsvollen Tätigkeiten braucht man definitiv eine gute regelmäßige Ernährung.
– So wenig ich es wahrhaben möchte, macht offensichtlich auch das zunehmende Alter das Erlernen neuer Fähigkeiten schwieriger, zudem nimmt der Fokus ab und man braucht länger um seine Gedanken zu ordnen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Nach dem Ende der Tauchaktionen nahm ich ein Taxi nach Tulum und verbringe dort den Rest des Mexikoaufenthalts in einer entspannten Atmosphäre, Sightseeing und leckerem scharfen mexikanischen Essen.