Mittlerweile sind wir schon seit 3 Wochen in Kanada. Wir wohnen im Haus unseres Sohnes, etwa 200 km östlich von Toronto. Hier haben sich gewisse Routinen herausgebildet: vor einem Monat kam unser kleines Enkelkind zur Welt, das einige Bedürfnisse hat. Neben dem Trinken (wofür ausschließlich unsere Schwiegertochter verantwortlich ist) und dem Windelwechseln möchte es partout nur einschlafen, wenn es herumgetragen wird. Der Hund unseres Sohnes muss zudem zweimal am Tag Gassi gehen, und der Rasen im Garten muss wöchentlich gemäht werden. Das Wetter ist wechselhaft, meistens jedoch sonnig und warm. Der Zweitwagen unseres Sohnes hat vor Kurzem neue Sommerreifen bekommen, aber es traten Undichtigkeiten auf. Zudem leuchtete die Warnlampe für zu niedrigen Reifendruck ständig, sodass wir mehrmals zu einem 15 km entfernten Shop fahren mussten, um dies zu reklamieren. Nach vier Besuchen stellte sich heraus, dass die neuen Felgen gar keinen Reifendrucksensor haben, d.h. die Anzeige ist sinnlos. Man empfahl uns schließlich, die Warnanzeige einfach mit Klebeband abzudecken – typisch kanadische Reparaturmethoden.

Ansonsten vergeht die Zeit mit Einkaufen und Kochen. Endlich gibt es wieder ausreichend Küchengeräte, um auch aufwendigere Gerichte zuzubereiten. Die Lebensmittelpreise in Kanada sind erstaunlich hoch – 1 kg Käse für ein Käsefondue kostet etwa $50. Fleisch ist dafür vergleichsweise günstig, 1 kg bestes Rinderfilet kostet etwa gleich viel, nämlich auch $50. Mein Sohn besitzt einen Räucherofen, den er viel und gerne benutzt. So haben wir selbstgeräuchertes Schweinefilet, Hühnchenfleisch und sogar geräucherte Grillwurst genießen können.

Meine Frau ist entschlossen, ihren Lebensabend in der Nähe unseres Sohnes in Kanada zu verbringen und sucht bereits nach Häusern. Ich bin mir da nicht so sicher und versuche die Umstände abzuwägen. In Kanada benötigt man wegen der großen Entfernungen definitiv ein Auto und somit auch einen Führerschein. Ich habe gehört, dass man ab einem gewissen Alter regelmäßig eine volle Führerscheinprüfung ablegen muss, um die Fahrerlaubnis zu behalten. Eine vorläufige Internetrecherche zeigt, dass dies ab einem Alter von 80 Jahren der Fall ist, also zum Glück noch einige Zeit hin. Zudem liebe ich den Umgang mit Bekannten und Freunden und habe Bedenken, dass es schwierig sein könnte, in fortgeschrittenem Alter neue Freunde zu finden. Aus diesem Grund habe ich vor Kurzem an einem wöchentlichen Schachabend in der örtlichen Bibliothek teilgenommen. Dort wurde ich herzlich empfangen und kam schnell ins Gespräch mit den anderen Teilnehmern. Meine etwas eingerosteten Schachfähigkeiten waren offensichtlich gut genug, um auch zu einem zweiten wöchentlichen Abend in einer Kirche eingeladen zu werden. In Deutschland erinnere ich mich daran, dass das „Training“ im Schachverein immer in einer Kneipe mit ordentlichem Alkoholkonsum stattfand. Hier in Kanada verlaufen die Abende trocken. Kein Wunder, eine Dose Bier kostet im lizenzierten Laden $3, und ein Pint (450 ml) in der Kneipe kostet leicht $10. All das macht die Entscheidung, wo ich meinen Lebensabend verbringen soll (Deutschland, Kanada oder ein anderes vorzugsweise warmes Land), nicht einfach. Zum Glück fühle ich mich noch recht agil, sodass ich diese Entscheidung noch hinauszögern kann.