Kürzlich stolperte ich beim Stöbern im Internet über den Begriff Valet Diving. Dies scheint momentan der letzte Schrei in Amerika und den vorwiegend von Amerikanern besuchten Karibik Tauchresorts zu sein. Der Begriff Valet Parking bedeutet in Amerika, dass man mit seinem eigenen Auto vor ein Etablissement, wie ein Restaurant vorfährt und dann einem Angestellten den Autoschlüssel in die Hand drückt um das Auto auf einem etwas entfernten Parkplatz sicher zu parken. Nach dem Essen wird der Wagen wieder vorgefahren und dem Angestellten ein Trinkgeld in die Hand gedrückt. Dieser Service ist in den USA und Kanada üblich, in Europa aber weitgehend unbekannt. Ein ähnlicher Service scheint sich auch in der Tauchindustrie auszubreiten: die Mitarbeiter eines Resorts oder einer Tauchbasis nehmen dem Taucher jegliche Vor- bzw. Nachbereitung des Tauchgangs ab, sodass sich der Nutzer dieses Services allein auf sein eigenes Wohlbefinden unter Wasser konzentrieren muss. Zum Service gehört natürlich der Transport der schweren Tauchausrüstung von der Basis auf das Boot und zurück. Zusätzlich wird die Tauchausrüstung zurechtgelegt, das Jacket an der Flasche befestigt und der Atemregler angeschraubt. Nach dem Tauchen natürlich alles zurück, zusätzlich wird noch die Ausrüstung gespült und zum Trockenen aufgehängt. Ein Extrem, welches ich vor vielen Jahren in Amerika selbst erleben durfte, war folgende Begebenheit: Mit meiner Familie machten wir Urlaub in Kalifornien und ich wollte unbedingt vor Monterey mit den Seeottern in den Kelpwäldern tauchen gehen. Also verabredete ich mich an einer örtlichen Tauchbasis mit einem Mitarbeiter für den folgenden Tag und lieh mir die Ausrüstung. So standen wir dann am Strand und der Mitarbeiter erklärte mir beim Briefing, dass wir um Luft zu sparen etwa 200 m in Richtung der Kelpwälder schnorcheln müssten und dann dort abtauchen würden. Gesagt getan, machten wir uns fertig und als wir dann im Wasser standen, meinte der Typ, das er mich gerne die 200 m schieben würde, wenn mir das zu anstrengend wäre!!?? Das habe ich natürlich dankend abgelehnt, habe ich doch noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts tauchen gelernt, wo jeder Taucher vor allem für sich selbst verantwortlich zu sein hatte. Da herrschten auch an den Tauchbasen noch harte Sitten, Tauchguides gab es nur für Beginner ohne Brevet und wenn man als etwas erfahrener Taucher unter Wasser die Orientierung verloren hatte und 500 m entfernt vom Boot auftauchte, wurde nicht etwa das vorhandene Zodiac benutzt um die Taucher aufzusammeln, sondern die hatten gefälligst an der Oberfläche mit voller Ausrüstung zum Boot zurück zu schnorcheln, sozusagen als Strafe, um sich beim nächsten Tauchgang umso besser auf die Navigation zu konzentrieren. Diese harten Erziehungsmaßnahmen erzielten besonders dann ihren Effekt, wenn man auch noch gegen die Oberflächenströmung ankämpfen musste und ermunternde Zurufe vom Tauchlehrer an Bord oder Kapitän bekam doch gefälligst schneller zu schwimmen, da man gerne ablegen und zurückfahren möchte und alle an Bord mächtig Hunger hätten. So kam der Gruppendruck noch dazu und man konnte sich nur Abends an der Bar mit einer gewissen Menge Freibier revanchieren. Heute undenkbar wegen der Risiken eines Dekounfalls durch Anstrengung nach dem Tauchen, hat diese harte Schule nicht ihren Effekt verfehlt und hatte viele sehr kompetente eigenverantwortliche Taucher hervorgebracht. Diese beherrschten nicht nur die Theorie, sondern auch vor allem die praktischen Aspekte des Tauchens. Noch heute ist dieses „Training“ in Europa bei CMAS Tauchbasen verbreitet, wobei sich insbesondere die französische Schule hervortut.
Auf der anderen Seite beobachte ich zunehmend einen steigenden Servicebedarf bei vielen Tauchern, die weit über das Flaschentragen zum und vom Boot hinausgeht. Zum einen wird wie oben geschrieben der Zusammenbau, bzw. das Auseinandernehmen, Waschen und Trockenen der eigenen Tauchausrüstung von der Basis übernommen, währenddessen die Besitzer über ihre Taten unter Wasser prahlen, ihr theoretisches Wissen, hauptsächlich aus einschlägigen Tauchforen im Internet bezogen, kundtun und anhand einer Vielzahl von Brevetkärtchen ihre Befähigung zum ‚perfekten Ein- und Ausatmen unter Wasser‘ nachweisen. Zum anderen sind auch unter Wasser immer weniger Taucher bereit, selbst bei einfachsten Riff- oder Wracktauchgängen die Verantwortung eines Gruppenführers zu übernehmen und somit eigenständig zu tauchen. Lieber taucht man einem Tauchguide hinterher. So verwundert es nicht, dass auf der einen Seite Tiefenlimits eingeführt werden, weil Tauchgänge unterhalb von 30 m ja ach so gefährlich und geplante Dekompressionstauchgänge geradezu Kamikaze- Unternehmungen sind. Diese Tiefenlimits dienen sinnvollerweise hauptsächlich dem Schutz der Tauchguides als Vieltaucher. Es gibt aber auch Tauchunfälle, die letztlich in der Dekokammer endeten, weil ausgebildete Taucher angeblich nicht wussten, dass man möglichst keine Wiederholungstauchgänge ohne jede Oberflächenpause machen sollte, weil das einem ja nicht explizit vor dem Tauchen gesagt wurde und man ja nur das Non-Limit Tauchen bestmöglich ausnutzen wollte. Offensichtlich wird mit zunehmendem Servicelevel auch das Hirn von einigen Tauchern ausgeschaltet.
Nach wie vor gibt es zum Glück Gegenden wo gut ausgebildete Taucher nicht bevormundet werden und es kompetenten ***Tauchern zugestanden wird die eigene Tauchtiefe mit Luft als Atemgas im Rahmen der gültigen gesetzlichen Richtlinien bis 60 m selbst zu bestimmen. Leider versuchen sich auch dort die Kärtchensammler, die dann für ihren Fusswärtsabstieg zum Wrack auf 40 m 7 Minuten brauchen und sich wundern, dass dann kaum noch Grundzeit zur Verfügung steht. Die selben Taucher beschweren sich dann auch noch, dass sie ihre leeren Flaschen mal 100 m zum Kompressor tragen müssen und hinterlassen negative Bewertungen in den einschlägigen Plattformen. Taucher der alten Garde machen sich häufig einen Spaß, diese Wracks in 40m Tiefe so schnell zu erreichen, dass die Tauchzeitminutenanzeige des Tauchcomputers möglichst noch 0 anzeigt. Dies geht natürlich nur wenn man kopfüber und unter Flossenbenutzung abtaucht. Eine deutlich verlängerte Grundzeit ist dann der Nutzeffekt.
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